Arthrose
(Gelenkabnützung, Gelenkdeformierung)
Wird aufgrund degenerativer Knorpelabbauvorgänge der Gelenkknorpelbelag so weit geschädigt, dass die natürlichen Anpassungs- und Reparationsmechanismen erschöpft sind, kommt es zu einer Dekompensation (Verfall) des ganzen Gelenkes.
Es fällt immer mehr Knorpelabrieb an, und bald zeigt sich blanker Knochen ohne irgendeinen Knorpelbelag ("Moon" - Mondlandschaft). In der Folge kommt es dann auch zum Knochenabrieb.
Als Abwehrmaßnahmen versucht nun das Gelenk, die verlorene oder sogar zerstörte Fläche der Druckaufnahme durch Knochenanbau wieder zu vergrößeren (durch Osteophyten - Spornbildungen).
Diese Osteophyten werden ihrer "Aufgabe" meist nicht gerecht, im Gegenteil, sie stören die Biomechanik des Gelenkes nur noch weiter.
Abhängig vom Schweregrad ist die Arthrose vor allem durch herabgesetzte Belastbarkeit, Schmerzen bei Belastung und Ruhe, hitzende Schwellungen und Gelenkseinsteifung gekennzeichnet.
Typisch ist auch der starke Wechsel im Erscheinungsbild der Beschwerden: Phasen mit relativer Beschwerdefreiheit wechseln mit entzündlichen Schüben ab (aktivierte Arthrose).
Die Ursachen der Arthrose sind äußerst mannigfaltig:
Familiäre Anlage, Übergewicht, dauernde Überbeanspruchung, Fehlstellung der Beinachse, rheumatische und andere entzündliche Krankheiten, Unfälle, die das Gelenk in Mitleidenschaft gezogen haben, hormonelle sowie noch unbekannte Faktoren sind zu erwähnen.
Behandlungsprinzip
Haben die vielfältigen Möglichkeiten der konservativen Stufentherapie nicht zum erwünschten Erfolg geführt, so wird die arthroskopische Gelenktoilette (Stufe 3) durchgeführt.
Wie bei der Therapie von Knorpelschäden besteht auch bei der Arthrosebehandlung das Ziel darin, eine Reizverminderung (Entzündungshemmung) im Gelenk zu schaffen und Reparationsvorgänge anzuregen.
Reizvermindernd und entzündungshemmend wirkt auch die Entfernung von gerissenen Meniskusteilen, abgestorbenen Gelenkknorpelstücken, Knorpelabriebmaterial und entzündeten Gelenkschleimhautanteilen (Teilsynovektomie). Das Abtragen überschießend angebauter Knochenleisten und Knochensporne (Osteophyten) vermindert die Reibung.
Ziel der arthroskopischen Arthrosetherapie und auch der Umstellungsosteotomie ist es, das Einsetzen des "ungeliebten" künstlichen Gelenkes durch Erhaltung des eigenen Kniegelenkes zu vermeiden oder zumindest soweit wie möglich hinauszuschieben.
Körpereigene Reparationsvorgänge können durch die sogenannte Abrasion stimuliert werden. Die Abrasion ist eine Auffräsung des knorpellosen freiliegenden Knochens (Mondlandschaft).
Aufgefräst wird nur die oberste abgestorbene Grenzlamelle (etwa 2 mm), um Blutgefäße freizulegen. Die Stabilität und Tragkraft des Gelenkes werden dabei nicht vermindert. Durch Freilegen der Blutgefäße wird das Wachstum eines Ersatzknorpels angeregt.
Micro fracture: Das ist eine Technik mit dem gleichen Ziel, bei der mit einer Art "Eispickel" die obere Knochenschicht aufgebrochen wird, damit ebenfalls körpereigene Regenerationsprozesse angeregt werden.
Das Wachstum dieses Knorpels dauert ungefähr zwei bis drei Monate, ein vollständiges Aushärten und Ausreifen jedoch etwa ein Jahr, danach ist der Ersatzknorpel einigermaßen in der Lage, Eigenschaften und Funktionen des natürlichen Gelenksknorpels zu übernehmen. Er bleibt allerdings Ersatzknorpel (Faserknorpel), nicht hyaliner Knorpel. Meist gelingt die Umwandlung zum hyalinen oder zumindest hyalinähnlichen Knorpel nicht, so dass der Ersatzknorpel einer mehr oder weniger schnellen Abnützung zum Opfer fällt.
Die abgestorbene, freiliegende Knochenschicht wird durch die Abrasion abgetragen, um körpereigene Wiederherstellungsvorgänge anzuregen.
Nachbehandlung
1. Gelenktoilette (Reinigung und Gleitflächenglättung) ohne Abrasion:
Unmittelbar postoperativ erfolgen abschwellende Maßnahmen, Heilgymnastik zur Steigerung der Muskelkraft und passive Bewegung und Streckung des Beines auf der motorisierten Kniebewegungsschiene (CPM). Gehen ab dem Operationstag, Schonung für vier bis sechs Wochen.
2. Gelenktoilette mit Abrasion oder micro fracture:
Diese Therapie verlangt eine konsequente Entlastung des operierten Kniegelenkes je nach Defektgröße für vier bis sechs Wochen (zwei Unterarmstützkrücken) und Teilbelastung für weitere 2 Wochen (eine Unterarmstützkrücke). Die Devise für die Abrasion ist also: Bewegen (Stimulation des Wachstums des Ersatzknorpels), aber nicht belasten, denn ein zu früher Druck auf die abradierte Knorpelfläche würde den Ersatzknorpel zerstören. Die postoperative Heilgymnastik muss daher vorsichtig und unter Vermeidung von Schmerzen und Schwellungen durchgeführt werden. Zumeist kann eine schnelle Heilung nicht erwartet werden, der Heilungsverlauf beträgt je nach Ausdehnung der Abrasion sechs Monate bis ein Jahr.
Sollte eine stärkere Achsenabweichung im Sinne eines O- oder X-Beines vorliegen, kann bei Weiterbestehen der Beschwerden eine Achsenkorrektur notwendig werden (siehe Abschnitt Umstellungsosteotomie).
Arbeitsfähigkeit
Bei Bürotätigkeit muss mit einer Krankenstanddauer von etwa drei Wochen gerechnet werden, vorausgesetzt, dass der Patient mit zwei Unterarmstützkrücken seiner Arbeit nachgehen kann.
Je nachdem, ob eine Gelenktoilette mit oder ohne Abrasion durchgeführt wurde, kann schwere körperliche Arbeit, wenn überhaupt, erst nach sechs Monaten bis zu einem Jahr ins Auge gefasst werden.
Sportfähigkeit
Schwimmen und Radfahren können in der Regel schon nach zwei bis drei Monaten in Angriff genommen werden. Andere Sportarten müssen unbedingt vorher mit uns besprochen werden. Notwendig ist eine einwandfreie Muskelfunktion.
Ergebnisse
Gemessen an der oft tristen Ausgangssituation, können mit der Abrasionsarthroplastik (so der volle Name dieser Operation) erstaunliche Ergebnisse erzielt werden. Etwa ein Jahr nach der Operation gaben 80 Prozent der Patienten eine deutliche Schmerzerleichterung an und eine Zunahme ihrer persönlichen Gehstrecke auf das Dreifache.
Der Anteil der Patienten, die eine nachträgliche Achsenkorrektur des Kniegelenkes (Umstellungsosteotomie) benötigen, liegt bei 10 Prozent.
Anmerkung
Die Abrasionsarthroplastik ist seit der Einführung der unten beschriebenen neuen Methoden zur Reparatur von Knorpelschäden und Arthrose in Ungnade gefallen - meiner Meinung nach zu Unrecht. Richtig ist, dass sie nur Ersatzknorpel erzeugen kann, der sich frühzeitig wieder abnützen kann - aber eben nicht muss! Immer wieder sehen wir erstaunliche Langzeiterfolge mit dieser Operationsmethode. Außerdem fehlen bei den neuen Methoden Langzeiterfahrungen und die mittelfritiggen Ergenbisse habe unsere Erwartungen nicht erfüllt und sie sind nicht für jedermann erschwinglich.
Neue Methoden der operativen Arthrosetherapie, Therapie von Knorpeldefekten
Entwickelt wurden diese Methoden, um anfangs kleine, aber die gesamte Knorpeldicke umfassende Defekte (zum Beispiel nach Unfällen) wie mit einem Pflaster verschließen zu können. Dabei handelte es sich um junge Patienten mit sonst vollkommen gesunden Kniegelenken. Durch die Knorpelheilung trachtete man eine spätere Arthrose (Abnützung) zu vermeiden.
Später wagte man sich an immer größere Defekte bzw. auch an abgenützte Kniegelenke (Arthrose). Die hohen Erwartungen wurden bei der Arthrosebehandlung aber nicht erfüllt, da es sich dabei ja nicht nur um eine Knorpelkrankheit sondern vor allem auch um eine Erkrankung des unter dem Knorpel liegenden Knochens handelt. (Ein Rollrasen würde in der Wüste auch nicht anwachsen).
Man muss also nicht nur Knorpel sondern auch Knochen transplantieren, was zB mit der Mosaikplastik gemacht werden kann. Aber auch diese Methode kann erhebliche Nachteile haben.
Sehr viel versprechend ist die Methode 3 bei der ein Kollagenvlies den Defekt verschließt. In diese Gerüstmatrix wandern dann Stammzellen aus dem Knochenmark ein und es kommt tatsächlich zur Knorpelheilung - siehe unten Methode 3.
Methode 1: Transplantation eigener Knorpel-Knochen-Teile (Mosaikplastik)
Mittels einer Rundstanze werden von nicht belasteten und kaum benötigten Kniearealen Knorpel-Knochen-Zylinder entnommen und in die defekte Belastungszone transplantiert.
Vorteile: Nur eine Operation notwendig, kostengünstig.
Nachteile: Da die Knorpel-Knochen-Stücke rund sind, wächst in den Zwischenräumen doch wieder nur Ersatzknorpel, die Rundung der Oberschenkelrolle lässt sich mit den Mosaiksteinen nicht vollkommen nachbilden - und was das Schlimmste ist - es entstehen kleinste Stufen (daher kein reibungsfreies Gleiten der Gelenkfläche!), die Zylinder können unter Umständen brechen oder nicht einheilen und dort, wo die Zylinder entnommen wurden, fehlen sie eventuell doch. Operationstechnisch relativ schwierig. Stark limitierte Größenausdehnung - für sehr große Defekte nicht einsetzbar.
Erfolge: Mittelfristig sind bis zu achtzig Prozent der Patienten zufrieden.
Resumee: wir setzen diese Methode nur in Ausnahmefällen ein.
Methode 2: Autologe Chondrocyten-Implantation (ACI)
Bei dieser Methode werden patienteneigene, gezüchtete und vielfach vermehrte Knorpelzellen in den Knorpeldefekt oder sogar an eine durch Arthrose abgenützte Stelle eingebracht.
Man benötigt dazu zwei Operationen: Während einer ersten Arthroskopie wird eine etwa reiskorngroße Knorpelportion entnommen, der Knorpeldefekt gereinigt und vermessen, sowie etwaige Zusatzschäden im Gelenk (z. B. Meniskusläsion) saniert.
Die Knorpelzellen werden dann in einem Speziallabor kultiviert und vermehrt.
In einer zweiten Operation wird dieser neu gewonnene Knorpel in den Defekt eingeklebt, in dem ein Kollagenvlies genau auf die Größe und Form des Defektes zugeschnitten und mit den patienteneigenen Knorpelzellen (Chondrozyten) besetzt wird. Sie bauen das Vlies zu körpereigenem Originalknorpel um.
Dies geht nicht arthroskopisch, das Kniegelenk muss je nach der Defektgröße mehr oder weniger geöffnet werden. Außerdem müssen im Rahmen dieses zweiten Eingriffes etwaige Achsenfehler oder Instabilitäten repariert werden, da sonst der neue Knorpelbelag in kurzer Zeit wieder Schaden nehmen würde.
Vorteile: Die Operation kommt dem Traum, Knorpelschäden zu heilen, schon sehr nahe! Sie ist operationstechnisch sehr aufwendig, es kommt aber zu keiner Stufenbildung mit dem vorhandenen gesunden Knorpel, der Knorpeldefekt lässt sich vollständig auffüllen. Jede Art der Gleitflächenkrümmung kann rekonstruiert werden. Die Patienten sind bald nach der Operation schmerzfrei.
Nachteile: Zwei Operationen notwendig, echte Langzeitergebnisse fehlen.
Resumee: von dieser Methode hat man sich sehr viel erwartet. Obwohl wir viele sehr zufriedenene Patienten haben, deren OP schon viele Jahre zurück liegt (über 10 Jahre), verwenden wir diese Methode nicht mehr, da sie
1. Sehr teuer
2. sehr aufwendig ist.
3. Die Erwartungen wurden oft nicht erfüllt hat.
Die Methode der Wahl ist die
Methode 3- Dreilagiges, spezielles Kollagenvlies
Bei dieser neuen Methode wird zwar auch ein Kollagenvlies in den Knorpeldefekt eingelegt, allerdings handelt es sich um ein ganz besonderes 3-lagiges Kollagenvlies, das ganz spezielle Eigenschaften hat. Der Fortschritt dabei ist, dass nur eine Operation notwendig ist und dass sich das Vlies sehr gut in ein vorbereitetes Bett legen läßt, denn es verfügt über eine sehr gute Wasserbindungskapazität. Es quillt im wässrigen Milieu auf und verfestigt sich dadurch mit der Umgebung. Die früher notwendige, sehr aufwendige Befestigung des Transplantates (mit feinsten Nähten oder Fibrinkleber) entfällt damit. Es läßt sich stufenfrei jeder auch größere Defekt überbrücken und jede Knorpelkrümmung herstellen.
Ein weiterer Vorteil ist es, dass nicht nur der Knorpel ersetzt wird, sondern vor allem auch der beim Knorpeldefekt immer mit erkrankte unter dem Knochen liegende Knochenteil, nämlich die so genannte subchondrale Grenzlamelle.
Das ganz besondere dieser Methode ist: Die Kollagenmatrix (das Vlies) stimuliert die Stammzellen des Knochenmarkes und bewegt sie zum Einzuwandern in das Vlies und sich dort zu differenzieren:
In der unteren Schichte wird Knochen gebildet (also die subchondrale Grenzlamelle) und in der oberen Schichte wird Gelenkknorpel gebildet. So können Knorpeldefekte auch von beträchtlicher Größe mit autologem (also patienteneigenem) Knorpelgewebe verschlossen werden. Die Kollagenmatrix dient dabei als Grundgerüst und Leiter und wird nach der Knorpelheilung vollständig abgebaut. Arthrose lässt sich damit aber trotzdem nicht heilen, sondern nur fokale Knorpeldefekte.
Der Knorpeldefekt wird durch ein Kollagenvlies vollständig gedeckt
Nachbehandlung: Sechs bis Wochen Entlastung mit zwei Unterarmstützkrücken. Heilgymnastik, Motorschiene, Muskelkräftigung.
Resümee: Die Methode ist nur wenige Jahre alt. Die Implantation einer Trägersubstanz aus Kollagen, besetzt mit patienteneigenen Stammzellen, ermöglicht wahrscheinlich die vollständige Heilung des bisher als unheilbar geltenden Knorpelschadens!
Gelingt die Operation, gelingt es also, in einem von Arthrose noch nicht sehr stark befallenen Kniegelenk (oder in einem anderen Gelenk) einen Knorpelschaden zu heilen, schreitet die Arthrose nicht weiter fort oder sie entsteht erst gar nicht! Dadurch lässt sich scheinbar die Notwendigkeit der Implantation eines künstlichen Gelenkes minimieren oder sogar gänzlich vermeiden - was wiederum unserer Philosophie von der weitestmöglichen Erhaltung der eigenen Gelenke sehr entgegen kommt.
Vollständiger Knorpeldefekt am Kniescheibengleitlager
Der Patient empfindet Schmerzen bei geringer Belastung und sogar in Ruhe.
Eineinhalb Jahre nach der Knorpelreparaur ist der Defekt vollkommen aufgefüllt und der Patient schmerzfrei und voll sportfähig.
Komplikationen
Die Komplikationsrate unterscheidet sich nicht von jener bei knorpelchirurgischen Eingriffen.
Bei manchen Patienten ist einige Monate nach dem Eingriff eine "Nachbearbeitung" notwendig, da der Ersatzknorpelbelag nicht an allen Stellen die notwendige Dicke und Qualität erreicht hat.
Mehr Information über die neue Möglichkeit Knorpeldefekte zu heilen:
Schwerer Knorpelschaden an der Kniescheibe in der MRT Darstellung
Mit der Pinzette kann der Knochen erreicht werden, die Knorpelschicht ist stark geschädigt
Nach Reinigung, Entfernung des abgestorbenen Knorpels und Ersatz der Kniescheibenrückfläche mit neuem Knorpel