Künstliches Hüftgelenk
(Totalendoprothese)
Coxarthrose, Abnützung des Hüftgelenkes
Beim Hüftgelenksersatz werden bei uns immer Kopf und Pfanne ersetzt (Totalendoprothese). Die Hemiprothese (Kopfersatz) wird nur noch fallweise an unfallchirurgischen Abteilungen bei sehr alten Patienten nach Schenkelhalsbrüchen eingesetzt. Leider ist die "Lebensdauer" von Teilprothesen aber begrenzt. Der künstliche Hüftkopf der Hemiprothese zerstört meist den Knorpel der Hüftpfanne.
Die Totalendoprothese an der Hüfte ist der ausgereifteste und meist beforschte Gelenksersatz. Entgegen anderer Empfehlungen bei Schulter und dem oberen Sprunggelenk kann zum Gelenkersatz an der Hüfte auch bei relativ jungen und sogar bei sehr sportlichen Patienten geraten werden. Natürlich muss auch bei Hüfterkrankungen zuerst die konservative Therapie ausgeschöpft werden. Und selbstverständlich wird bei erhaltungswürdigen Gelenken in Abhängigkeit vom Lebensalter und anderen Faktoren eine gelenkerhaltende Operation durchgeführt, wie zum Beispiel die Hüftbohrung in den Anfangstadien der Hüftkopfnekrose (Knochengewebsuntergang). Als relativ neue Therapie hat sich beim Knochenödem (Knochenschwellung), einem Vorstadium der Hüftkopfnekrose die Ilomedin-Infusion bewährt.
Behandlungsprinzip
Der Hautschnitt war früher - je nach Dicke der Fett- und Mukelschicht - ca. 18 bis 25 cm lang.
Seit einiger Zeit setzen wir die minimal-invasive Operation ein, bei der nur mehr ein 7 - 10 cm langer Hautschnitt verwendet wird. Wir verwenden den so genannten vorderen Zugang, siehe Abbildungen.
Die wichtigste Neuerung dieser Methode ist aber nicht die Hautschnittlänge, sondern die Tatsache, dass die Muskulatur nicht mehr durchgeschnitten, sondern dass zwischen den einzelnen Muskeln eingegangen wird. Bei diesem Zugang werden die Muskeln werden eingeschnitten noch überdehnt, was dazu führt, dass die Heilung wesentlich schneller ist, und dass die Patienten bereits nach 1-2 Wochen ihre Unterarmstützkrücken weglegen können. Manche sportliche, jüngere Patienten verwenden die Krücken gar nicht mehr.
Nach Eröffnung des vorderen Anteiles des Gelenkskapsel wird der Hüftkopf abgesetzt. Mit speziellen Fräsen, welche die Form der künstlichen Pfanne haben, wird zunächst das Pfannenlager bearbeitet. Hat man die gewünschte Größe und Tiefe erreicht, wird die entsprechende Titanschale eingepresst, welche "bombenfest" sitzen muss. In die Schale wird der Keramik- oder Polyäthyleneinsatz eingebracht.
Danach wird der Markraum des Oberschenkelknochens aufgeraspelt. Nach dem Erreichen eines guten "kortikalen Aufsitzes" (der Prothesenschaft ist fest im harten Knochen verankert), wird eine Probeprothese eingesetzt und das Gelenk reponiert (der Kopf wird in die Pfanne gebracht). Danach überprüft man die Beinlänge (Unterschiede bis etwa 4 cm können gut ausgeglichen werden, darüber steigt die Gefahr von Nervenläsionen), den Gelenklauf (wie beweglich ist die Hüfte, spannt die Muskulatur zu viel oder zu wenig, stößt irgendwo Knochen auf Knochen?) und die Luxationsneigung (ein künstliches Hüftgelenk kann sich ausrenken). Im jetzigen Stadium der Operation kann vieles noch angepasst werden. Diese Tätigkeit muss stets von einem erfahrenen Arzt durchgeführt werden - dies kann ihm weder der Navigations-Computer noch ein OP-Roboter abnehmen!
Ist man davon überzeugt, dass alles stimmt, wird der endgültige Schaft eingeschlagen und der entsprechende Kugelkopf aufgesetzt. Der Schaft besteht aus Titan, der Kopf aus Keramik. Die Verankerung von Pfanne und Schaft erfolgt auf "Presssitz" - also zementfrei. Nach sorgfältiger Spülung und Waschung des neuen Gelenkes sowie Entfernung von Knochenresten und Abrieb wird die Muskulatur und die Wunde verschlossen. In der Regel verwenden wir ein Blutungsdrain. Blutkonserven können seit Einführung der neuen, schonenden Technik meist vermieden werden.

Prothesenteile

Röntgenbild nach der Implantation
Nachbehandlung
Der Blutungsschlauch (Drainage) wird am ersten Tag nach der Operation etwas nachgezogen und am zweiten Tag entfernt. Der Patient kann am ersten Tag sitzen und am ersten oder zweiten Tag nach der Operation bereits aufstehen. Das operierte Hüftgelenk wird mit zwei Unterarmstützkrücken (wenn dies möglich ist - je nach Lebensalter, Allgemeinzustand) für eine bis drei Wochen entlastet. Thromboseprophylaxe für mindestens sechs Wochen. Medikamentöse Prophylaxe der heterotopen Ossifikation (postoperative Verknöcherung der Weichteile der Hüfte) für vierzehn Tage. Intensive Heilgymnastik ab dem ersten und Gehtraining ab dem zweiten Tag nach der Operation. Spitalsaufenthalt sinnvollerweise ca. ein bis zwei Wochen. Viele Patienten absolvieren nach künstlichem Hüftgelenksersatz einen Rehabilitationsaufenthalt.
Arbeitsfähigkeit
Für Büroarbeit nach etwa vier Wochen - bei Managern auch früher. Selbständiges Autofahren sollte aufgrund der tiefen Autositze und der starken Muskelbelastung beim Ein- und Aussteigen für etwa zwei bis drei Wochen unterbleiben. Schwere körperliche Tätigkeiten können bei gut trainierter Muskulatur nach etwa drei bis vier Monaten aufgenommen werden.
Sportfähigkeit
Die meisten Patienten können wieder uneingeschränkt zu ihrem Sport zurückkehren. Anfangs sollte Schwimmen und Radfahren betrieben werden, nach etwa drei Monaten kann mit leichtem Laufen begonnen werden. Hüftbelastende Sportarten wie z. B. Tennis und Skifahren sollten für mindestens vier Monate unterbleiben.
Ergebnisse
Die meisten Patienten erhalten an unserer Abteilung eine zementfreie Totalendoprothese aus Titan, welche bereits seit 1979 - mit nur leichten Modifikationen - zum Einsatz gelangt. Weltweit wurden in der Zwischenzeit weit über 200.000 Patienten mit diesem System versorgt.
Ca. 95 Prozent der künstlichen Hüftgelenke bleiben mehr als zehn Jahre funktionstüchtig. Über 90 Prozent der Patienten sind zufrieden oder sehr zufrieden.
Komplikationen
Nervenläsion bei einem Prozent, heterotope Ossifikation (Weichteilverknöcherung) in ca. 3 Prozent, postoperative Luxation in ca. 2 Prozent, Infektion in ca. 2 Prozent, Thrombose in ca. 5 Prozent und Lockerung (nach zehn Jahren) in ca. 5 Prozent. Bei postoperativen Luxationen muss das Gelenk für sechs Wochen ruhiggestellt werden. Infektionen und Lockerungen machen meist eine Revisionsoperation und einen Wechsel der Implantate notwendig.
Stadien der Hüftgelenkabnützung (Coxarthrose) und die hohe Hüftluxation
links: Stadium I: Verdichtung (Sklerose) der Pfannenkontour
Mitte: Stadium II: Gelenkspaltverschmälerung und Ausbildung eines zarten Knochensporns am Pfannenerker (schwarzer Pfeil)
rechts: Stadium III: Große Knochensporne (Osteophyten) an Kopf und Pfanne und noch weniger Knorpel (Gelenkspalt noch schmäler)
links: Stadium IV: Weitgehende Zerstörung des Hüftgelenkes. Kein Gelenkknorpel mehr, große Knochensporne
rechts: Hohe Hüftluxation. Ein schweres Krankheitsbild, das sich aus einer nicht behandelten Hüftgelenkserkrankung im Säuglingsalter entwickelt hat: Der Hüftkopf (grüne Pfeile) hat die schlecht angelegte Pfanne (rote Pfeile) verlassen und steckt hoch in der Muskulatur. Er bildet sich dort eine Art Sekundärpfanne. Normales Gehen nicht möglich. Starke Beinverkürzung. Die Patientin habe ich in Albanien gesehen. Sie wünschte keine Operation. Bei uns sind seit der routinemäßigen Untersuchung der Säuglinge solche Hüften nahezu nicht mehr möglich.
Minimal-invasiver Hüftgelenkersatz
Das ist die Technik, die wir zur Zeit anwenden. Zum Einsatz kommt eine Titanpfanne mit Keramikeinsatz und ein Titanschaft mit Keramikkopf.
links: Eine schwere Coxarthrose.
Mitte: Hüftgelenkersatz mit einer modernen Totalendoprothese in minimalinvasiver Technik.
rechts: Die Schnittlänge beträgt nur noch 9 cm und die Muskulatur wird nicht mehr ein- oder abgeschnitten sondern nur noch auseinander gedrängt.
Versorgungsbeispiele: Gelenkersatz (TEP) bei Hüftreifungsstörung (Hüftdysplasie) und nach Beckenbruch
links: Die linke Hüfte im Bild ist in Ordnung, die rechte zeigt eine sehr flache, fliehende Pfanne und einen ganz kurzen deformierten Hüftkopf. Die Hüftdysplasie ist quasi die Vorstufe zur Hüftluxation und entwickelt sich auch aus einer Erkrankung im Kindesalter. Diese Patientin hatte eine Beinverkürzung von 6 Zentimeter.
rechts: Mit dem Einsatz einer zementfreien Endoprothese ist es gelungen die Schmerzen zu beheben und auch die Beinlänge komplett auszugleichen. Das Hinken ist völlig verschwunden.
links: Bei schwerer Hüftdysplasie muss zuerst ein Pfannendach aus dem Hüftkopf geformt und angeschraubt werden (Pfeil). Erst danach kann in der selben Sitzung die Pfanne eingebracht werden. Auch hier konnte die Beinlänge ausgeglichen werden. Auch dieser Patient ist seit vielen Jahren ohne Beschwerden.
rechts: Noch mehr "Hardware" wird bei Beckenfrakturen mit anschließendem Hüftgelenkersatz benötigt. Auch diesen Patienten konnten wir wieder zum Gehen bringen.